Was bedeutet genetische Vermischung für die Wildkatze?
Eine eindeutige Unterscheidung zwischen Wildkatze und Hauskatze ist in der Regel nur durch eine DNA-Untersuchung möglich. Doch was passiert, wenn sich Wildkatze und Hauskatze verpaaren? Weil die beiden Unterarten sich fortpflanzen können, kommt es zu einer Vermischung ihrer DNA. Die fruchtbaren Nachkommen sind genetische Hybride. Demnach sind sie also “Mischlinge” (lat. hybrida) der beiden Unterarten Hauskatze (Felis silvestris catus) und Wildkatze (Felis silvestris silvestris).
Warum ist es wichtig, die Hybridisierung der Wildkatze zu untersuchen?
Hybridisierung kann zu einer Erhöhung der genetischen Vielfalt sowie zu Anpassungen an sich verändernde Umweltbedingungen führen. Genauso kann sie aber auch eine verringerte Fitness, die Verbreitung fehlangepasster Gene oder die Konkurrenz der Unterarten zu den Hybriden zur Folge haben.
Mit Blick auf die Zerschneidung der Lebensräume ist genetische Vielfalt von Bedeutung. Wenn kein Artgenosse der eigenen Unterart gefunden wird, bleibt Wildkatzen nur die Fortpflanzung mit Hauskatzen. Die geschätzen Wildkatzenbestände in Deutschland entsprechen im Verhältnis lediglich 0,01 % der freilaufdenen Hauskatzen. Eine genetische Überschwemmung durch Hybridisierung kann im Extremfall dazu führen, dass die Wildkatze genetisch irgendwann nicht mehr existiert. Dabei handelt es sich um zwischenartliche Paarung mit einer Art, die an Menschen gewöhnt ist. Vermutlich domestizierten Ägypter die Hauskatze 4.000 bis 2.000 Jahre v. Chr., bis die Römer sie vor 2.000 Jahren nach Europa brachten. In jedem Fall stammt sie von der afrikanischen Falbkatze (Felis lybica lybica) ab. Ihre Ernährung enthält im Gegensatz zur Wildkatze teils auch an pflanzliche Bestandteile. Evolutiv führte dies zu einem längeren Darm. Auch in ihrem Verhalten unterscheiden sie sich stark von der Wildkatze, die auch bei Handaufzucht stets scheu bleibt. Die Vermischung wirkt sich demnach auf die Fitness, Ökologie und das Verhalten der Hybride aus.
Hybridisierung in Europa und Deutschland
In vielen Teilen Europas ist die Hybridisierung der Wildkatze gering. Auch in Deutschland stellt Hybridisierung keine Gefährdung dar. Aufgrund der Lebensraumansprüche der Wildkatze begegnet sie der Hauskatze eher selten. In einer Studie im Rahmen des BUND-Projekts “Rettungsnetzt Wildkatze” an 11.000 Haarproben belief sich die Hybridisierung mit der Hauskatze auf 3 %. Eine weitere Untersuchung von über 1.000 Totfunden aus überwiegend Mittel- und Westdeutschland zeigte eine durchschnittliche Hybridisationsrate von 3,2 %. Das sei zu vernachlässigen, meint der Chef-Präparator des Phyletischen Museums Jena, Matthias Krüger. Er erklärt dies auch mit den typischen Verhaltensweisen von Wild- und Hauskatzen in Deutschland. Demnach würden im Falle der Vermischung von Haus- und Wildkatze, die Nachkommen im Verhalten stets durch das Muttertier geprägt. Sie wachsen also entweder in Nähe oder in Entfernung zu Siedlungen und Menschen auf. Darum ist eine erneute Vermischung beider Unterarten in den nächsten Generationen eher unwahrscheinlich.
Anders verhält es sich beispielsweise in Schottland oder in der Schweiz. Durch die stärkere Zersiedlung der Landschaft (z.B. in der Almwirtschaft) gibt es in der Schweiz eine deutlich größere Überschneidung in den Verbreitungsgebieten von Haus- und Wildkatzen. Hierdruch kommt es viel häufiger zu einem aufeinandertreffen der beiden Unterarten.
Im Projekt Die Rückkehr der Wildkatze ging es darum, Aufnahmen von echten Wildkatzen zu zeigen. Aufgrund der geringen Hybridisierung des Projektgebietes im großraum Jena ist somit eine phänotypische Bestimmung mit höherer Sicherheit möglich. Matthias Krüger hat das Projekt begleitet und ist im Film als Wildkatzenexperte zu sehen.
Literatur
BUND Wildkatzen-Symposium 2016. Strategien für die Biotopvernetzung bis 2025
Felicita Urzi, Nikica Šprem, Hubert Potočnik et al. Population genetic structure of European wildcats inhabiting the area between the Dinaric Alps and the Scardo-Pindic mountains, 29 April 2021, PREPRINT (Version 1) available at Research Square https://doi.org/10.21203/rs.3.rs-443648/v1
Quilodrán CS, Nussberger B, Macdonald DW, Montoya-Burgos JI, Currat M. Projecting introgression from domestic cats into European wildcats in the Swiss Jura. Evol Appl. 2020;13:2101–2112. https://doi.org/10.1111/eva.12968
Tiesmeyer, A., Ramos, L., Manuel Lucas, J. et al. Range-wide patterns of human-mediated hybridisation in European wildcats. Conserv Genet 21, 247–260 (2020). https://doi.org/10.1007/s10592-019-01247-4